Kleine Schnecke ganz gross !

Hier geht es um wissenschaftliche Aspekte des Schneckenlebens.

Kleine Schnecke ganz gross !

Beitragvon Ryk am 10.12.2014, 17:35

Halle zusammen !

Gemeint ist damit die Banff Spring Snail (Physella johnsoni). die weltweit endemisch nur noch in fünf der neun Thermalquellen im Banff Spring-Nationalpark, Alberta, Kanada, lebt. Entdeckt und erstmals beschrieben wurde diese Blasenschnecke im Jahre 1926 (Clench, W.J. 1926, Three new species of Physa. Occassional Papers of the Museum of Zoology, University of Michigang160; p. 1-8)

Das Gehäuse der Tiere ist nur knapp 5 bis 7 mm lang und 4 bis 5 mm breit und stets linksgewunden. Ausgenommen von der stumpfen Spitze ähnelt die Banff Spring-Schnecke sehr stark der Kleinen Blasenschnecke P acuta, aber über ihre Lebensweise und Biologie bestehen heute noch viele unbeantwortete Fragen, obwohl sie schon seit vielen Jahren vom Spezialisten Dr. Dwayne Lepitzki untersucht wird, was in vielen seiner Berichte nachzulesen ist.

Ein Privileg hat P. johnsoni gegenüber vielen anderen Arten, denn sie wurde über das Fernsehen auch in unseren Breiten bekannt: in seinem Beitrag "Rocky Mountains - Land der Bären", der 2010 im ZDF und wenig später auch über arte ausgestrahlt wurde, berichtete Dirk Steffens in einer Sequenz über diese Schnecke, wobei der oben erwähnte Biologe Dwayne Lepitzki auf diese wohl einzigartige Blasenschnecke und ihre spezifischen Probleme aufmerksam machte.

Dass P. johnsoni endemisch heute nur noch in fünf der einstmals in allen neun in diesem kanadischen Nationalpark vorhandenen Thermalquellen nachgewiesen werden kann, ist u. a. darauf zurück zu führen, dass diese Art einst vor allem durch die Touristen gefährdet war: Der Umstand, dass diese Quellen jeweils einige Quadratmeter grosse "Tümpel" bilden, in denen die Wassertemperatur jeweils zwischen 30 bis 36 °C liegt, animierten sie die Touristen immer mal zu einem Bad. Entscheidend dabei war aber zum einen, dass diese kleinen Schnecken, die nahe zur Wasseroberfläche in den Felsbereichen leben, nicht nur von den Badenden kaum beachtet und darum öfters zerquetsch wurden, jedoch weit schlimmer war, dass die Badenden auch die auf ihrer Haut aufgetragenen Deodorants und vor allem Insektenschutzmittel ins Wasser abgaben, wobei diese Mittel Substanzen enthalten, die für P. johnsoni als Giftstoffe wirken. Erst als dieses Phänomen erkannt wurde, konnte der Bestandesrückgang in den einzelnen Populationen zumindest ein Stück weit erklärt werden, worauf das Baden in diesen Quelltümpeln strikte verboten wurde, was damit den Parkhotels ein offenbar lukratives Angebot für ihre Gäste kostete !

Man sieht: Kleine Ursache mit oft grosser Wirkung!

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Re: Kleine Schnecke ganz gross !

Beitragvon Ekka43 am 11.12.2014, 18:49

:-D Sehr interessant. Danke für den Beitrag !
Freundliche Grüße,
Erika
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Re: Kleine Schnecke ganz gross !

Beitragvon jackyberlin am 11.12.2014, 21:37

Danke für den interessanten Beitrag!!! :)
Finde es total gut, dass ein Badeverbot durchgesetzt wurde. Weißt du, wer oder welche Institution das veranlasst hat??
Und einen lieben Gruß von Jacky!
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Re: Kleine Schnecke ganz gross !

Beitragvon Ryk am 13.12.2014, 12:02

Grüezi Jacky !

Zu Deiner Frage hole ich leider etwas weiter aus! :lol:

Mit dem Ende der Eiszeit vor ca. 13 000 Jahren entstanden im Bereich der Kanadischen Rocky Mountains im Bereich des "Schwefelberges" diese Thermalquellen. In der Zeit um 1883, beim Bau der Canadien Pacific Raylway, wurde die erste dieser heissen Quellen entdeckt. Die Behörden der kleinen Stadt Banff erkannten natürlich die heilende Wirkung dieser Quelle und so entstand denn auch bald das erste Hotel, um die Touristen anzulocken, denen man neben der Heilwirkung auch eine Begegnung mit einer besonderen Tierwelt wie Grizzly, Wolf, Kojote und vielen weiteren interessanten Tieren versprach, womit der Grundstein für den Tourismus gelegt wurde, "dank" dem heute jährlich rund 5 Mio Besucher folgen.

Als dann Clench 1926 die Banff Spring Snail (P. johnsoni) entdeckte, war das natürlich eine kleine zoologische Sensation. Die negative Wirkung des Badebetriebes erkannte Dwayne Lepitzki erst im Laufe seiner Untersuchungen als eine entscheidende Ursache für die Populationsschwankungen in den Schneckenbeständen ("tentacle" 7 / 1997 und "tentacle" 9 / 2000). Dank der Einsicht der Regierung wurde bereits um 1998 von der Parkverwaltung ein generelles Badeverbot erlassen. Wie zu vernehmen war, wurden schon 1999 erstmals Touristen gebüsst, die sich nicht an diese Badeverbot gehalten hatten!

Nebenbei: ich beschäftige mich seit rund 8 Jahren mit P. johnsoni.

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Re: Kleine Schnecke ganz gross !

Beitragvon Ekka43 am 14.12.2014, 19:03

Wenn ich das richtig verstanden hab, greift inzwischen das Erhaltungs-/Zuchtrogramm der maiskorngroßen Schnecke.Ich finde, sie gleicht den Wasserschnecken, die man sich bei uns mit Pflanzen fürs Aquarium manchmal ungewollt einhandelt. :)
Freundliche Grüße,
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Re: Kleine Schnecke ganz gross !

Beitragvon jackyberlin am 14.12.2014, 20:26

@ Ryk: Ich bin mehr als zufrieden!!! Danke!! :) Finde deinen Beitrag echt sehr interessant! Gerne mehr!!! Vielen lieben Dank für deine Mühe!! :)
Und einen lieben Gruß von Jacky!
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Re: Kleine Schnecke ganz gross !

Beitragvon Ryk am 16.12.2014, 09:13

Grüezi Erika !

ad 1: Ja dank den langjährigen Untersuchungen von Lepitzki et al. kann man heute feststellen, dass sich die noch vorhandenen Populationen weitgehend stabilisiert haben.

ad 2: Es ist in der Regel üblich, dass die Arten, die in einer Gattung zusammengefasst sind, Ähnlichkeiten untereinander aufweisen ! Bei den Gehäuseschnecken zeigt sich dies bekanntlich am Gehäuse. Heute folgt man in der Blasenschnecken-Systematik der Einteilung von D. W. Taylor (Journal of Molluscan Studies 51. 2003: p. 1-287). - Inzwischen wurden aber auch molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt, um die rund 80 Arten noch besser unterscheiden zu können. (Amy R. Wethington. Journal Molluscan Studies 10. 2007).

Übrigens: ich weiss nicht, wer den Begriff vom Maiskorn "erfunden" hat, ich finde ihn eher unpassend . . .

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