Hi Sami, Tessie,
Na, da bin ich ja beruhigt, dass Liselotte dann wohl nicht in Gefahr ist.
Die armen Häuschenschnecken
Gestern bin ich doch tatsächlich extra zum Bioladen, um frische Champignons fürs Liselottchen zu kaufen. Interessant zu beobachten, wenn sie kommt und es ist noch ein Rest von der Vornacht da, knabbert sie zwar daran herum, aber es sieht tatsächlich aus, wie "lustlos mit langen Zähnen". Lege ich ihr dann einen frischen vors Näschen - pardon, die Riechfühler - macht sie sich sofort mit Begeisterung darüber her. Kein Zweifel, meine Liselotte ist champigonsüchtig.
Inzwischen haben wir nun auch unsere Unterhaltung fortgeführt.
Von Schnecken kann man eine Menge lernen, wenn man sich dafür öffnet. Ich glaube sowieso, dass Liselotte mir als Spirit Animal (Krafttier) geschickt wurde, denn vor unserer ersten Begegnung hatte ich einen Traum, in dem ein Engel mir eine Spinne als Krafttier geben wollte. Ich war allerdings entsetzt und hab gesagt "nee, nee, das geht ja gar nicht, ich nehme gerne alles an, nur keine Spinne, ich hab doch ne Spinnenphobie". Darauf der Engel: "Na gut, dann tauschen wir das gegen die Schnecke, die hat eine ähnliche Lehre: der eigenen Spur folgen ohne sich ablenken zu lassen, zentriert bleiben, Geduld und ohne Hast und Anspannung".
Danach begann mein Schneckenabenteuer.
Also, lassen wir mal Liselotte zu Wort kommen...
Ich: Schätzelein, wo wohnst du eigentlich?
Liselotte: Wohnst? Was ist das?
Ich: Na, wo ist dein Schlafplätzchen?
Liselotte: Achso. Da, unter den Rundfelsen, in einer gemütlichen Höhle.
Ich: Rundfelsen?? Wo sind denn hier Felsen??
Liselotte: Na, die riesigen runden Findlinge vor der Futterebene, wo ich dich immer besuche.
(Ah, kapiert, sie meint den Streifen aus Flusskieseln vor meiner Terrasse, der die Rasenfläche abgrenzt. Für Schneckenverhältnisse sind das natürlich Felsen)
Ich: Hast du eigentlich einen Partner und Kinder?
Liselotte: Nö, ich bin noch Single, bin ja noch ein Teenager. Und jetzt geh ich bald in den langen Schlaf. Aber danach, wenn die neue Blättchenzeit kommt, werd ich soweit sein, dann will ich auch Babies haben.
Ich: Oh, da würd ich mich aber freuen, wenn ich sozusagen Schneckenomi werde.
Liselotte: (kichert)
Ich: Was machst du denn die ganze Nacht, nachdem du dich satt gegessen hast?
Liselotte: Wie, machen? Ich bin eben da.
Ich: Ist das nicht langweilig?
Liselotte: Siehst du, das ist wieder sowas, was euch Zweifüßer zu komischen Wesen macht. Ihr müsst immer irgendwas machen. Ihr könnt nie einfach mal nur sein und den schönen Frieden in der großen Schöpferschnecke genießen. Ihr hastet durchs Leben und bemerkt gar nicht die Vollkommenheit, die euch umgibt. Ihr findet uns langsam und habt sogar sowas wie "Schneckentempo" und "Schneckenpost" in eurer Sprache. Dabei sind wir gar nicht langsam, wir hasten nur nicht. Wozu auch? In der Ruhe liegt die Kraft. Ihr spürt eure Kraft nicht, weil ihr immer alles schnell machen müsst. Du hast das schon verstanden, aber vergisst es auch immer wieder.
Ich: Wow, Süße, da hast du aber recht. Woher weißt du soviel über uns?
Liselotte: Mein Opa - die große Schöpferschnecke hab ihn selig - war ein kluger Schneck (Anmerkung: Schnecken bezeichnen sich selbst nicht als Schnecken, das ist eine menschliche Bezeichnung. Den Namen, den sie für sich selbst haben, kann man aber nicht aussprechen. Es klingt etwa wie ein gelispelter Zischlaut und bedeutet etwa soviel wie "Familie". Alle Nichtschnecken sind dagegen "Nicht-Familie"). Er konnte mit Bepelzten (damit meint sie Katzen) reden und mit der großen Schöpferschnecke. In ferner Vergangenheit wurden Nicht-Familien-Wesen auch als Trockenschnecken bezeichnet, weil ihr ja keine Schleimspur habt. Dann irgendwann hat ein gebildeter Schneck genauere Unterteilungen erfunden, um den Kindern beizubringen, vor wem sie sich besonders hüten müssen. Wir nennen sie jetzt Bepelzte, Luftflieger (Vögel), Bestachelte (Igel) und so. Aber eingeteilt werden alle in Einfüßer (das sind wir), Zweifüßer (das seid ihr) und weiter bis Achtfüßer.
Ich: Ihr seid ja ein richtig kluges Völkchen.
Liselotte: Ja, was hast du denn gedacht? Wir sind doch nicht dumm, nur weil wir keine Stimme und keine Ohren an unseren physischen Körpern haben. Die meisten Menschen halten sich für die klügste Gattung und wissen nicht, wie dumm das ist. Alles, was lebt, ist auch beseelt. Und manche Seelen haben nur wenig Aufgaben auf der Erde, deshalb brauchen sie nicht soviele körperliche Ausdrucksorgane. Das heißt aber nicht, dass wir nicht intelligent sind. Auf der Seelenebene, wo wir beide uns unterhalten, können wir uns ganz genauso gut ausdrücken.
Ich: Kannst du mich eigentlich sehen?
Liselotte: Schnecken sind kurzsichtig. Ich kann nur sehen, was genau vor mir ist. Aber wenn du vor bist, bist du viel zu groß, um dich im Ganzen sehen zu können. Ich sehe mehr eine sich bewegende große Wolke. Aber ich kann dich an deiner Schwingung erkennen und an deinem Duft. Deine Schwingung fühlt sich an, wie eine liebevolle sanfte Decke, die mich einhüllt, wenn ich in deine Nähe komme. Im Traum kann ich dich aber schrumpfen lassen, da hab ich dich schon im Ganzen gesehen. Deshalb weiß ich, dass du eine Zweifußschnecke bist.