A propos Helix semilimax

Alles rund um unsere einheimischen und benachbarten Schneckenarten.

A propos Helix semilimax

Beitragvon Ryk am 05.09.2015, 05:12

Hallo zusammen!

Als der französische Malakologe Baron Jean Baptiste Louis d'Audebert de Férussac (1745-1813) in seine Notitzblätter über eine kleine aber etwas eigenartig aussehende Schnecke schrieb, dass diese sowohl eine Helix wie auch eine Limax sein könnte und sie darum gewissermassen als ein Bindeglied beider Formen auffassend im Jahre 1802 ihr den Namen Helix semilimax gab, ahnte er wohl nicht, was sich in der Folge rund um diese knapp 12 bis 15 Millimeter grosse Schnecke mit ihrem am Körperende sitzenden "ohrenförmigen" Minigehäuse von knapp 5 mm Breite auslöste.

In der Zeitschrift "Der Naturforscher" (Heft 29 / 1802) befindet sich auf den Seiten 236 bis 241 die deutsche Übersetzung von Férussac's handschriftlichem Bericht "Über eine neue Thierart, welche die Gattungen Helix und Limax miteinander verbindet: Helix Semilimax." Auf Seite 239 berichtet er, dass er zwei dieser Schnecken "an dem nemlichen Orte . . . unter angehäuften und feuchten Blättern, an den Vorhölzern bey dem Dorfe Billafingen, 2 Stunden von Ueberlingen, und 3 von Stockach" gefunden hatte.

In dieser Erstbeschreibung der neuen Schneckenart gibt Férussac eine ausführliche Artdiagnose, in die er mit folgenden Worten einführt: "Sie macht im Thierreiche den Uebergang von den Mollusken zu den Schaalthieren, vermittels der Gattungen Limax und Helix, die sie durch eine Mittelart verbindet, welche ich deswegen Helix Semilimax genannt habe. Diese Art nimmt an den unterscheidenden Eigenschaften beider Gattungen Theil. Sie hat wie der Limax einen grösstenteils nackten und geraden Körper; aber auch, wie die Helix einen Theil, der schneckenförmig gewunden und mit einer wirklichen Schale bedeckt ist."

Nach dem Tode Férussac befasste sich sein Sohn André Etienne, damals ebenfalls ein bekannter Naturforscher und Malakologe, mit dem Hauptwerk seines Vaters und liess dessen vierbändige "Histoire naturelle des Mollusques" in den Jahren 1819 bis 1832 erscheinen.

Heute wissen wir, dass es sich bei dieser Schnecke um die Weitmündige Glasschnecke Semilimax semilimax (Férussac 1802) handelt. Aber, so klein diese Schnecke auch ist, seit ihrer Erstbeschreibung beschäftigten sich noch viele Malakologen mit ihr und bescherten ihr die verschiedensten Namen, bis sie endlich ihren nach den heutigen Nomenklaturregeln gültigen wissenschaftlichen Namen bekam.

In Billafingen im Bodenseegebiet, seit 1975 nach Orwingen eingemeindet, scheint man sich allerdings kaum an diesen Schneckenfund von einst zu erinnern, obwohl man dort sehr stark für die Naturschutzbestrebungen rund um das Natur- und Landschaftsschutzgebiet "Sielmann-Weiher" bemüht ist. Einzig in dem anno 1827 erschienenen, von Gustav Schwab verfassten "Handbuch für Reisende: Der Bodensee nebst dem Rheinthale .." wird in einem Nebensatz darauf hingewiesen, dass Férussac eine Schnecke in der Nähe des Bodensees gefunden und ihr den Namen Helix semilimax gegeben habe.

Ja, so kann es gehen, selbst wenn es ""nur"" um eine kleine Schnecke geht! Übrigens: Für die wohl eher ungewohnte Orthographie in den Zitaten bin ich unschuldig! :roll:

carpe diem

Ryk
Benutzeravatar
Ryk
 
Beiträge: 57
Registriert: 09.12.2008, 12:53
Wohnort: Zürich

Zurück zu Europäische Arten

Wer ist online?

Mitglieder: Hännchen