Schnecken euthanasieren

Hier geht es um wissenschaftliche Aspekte des Schneckenlebens.

Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon Rasplutin am 09.11.2021, 17:09

susann,
natürlich gibt es viele Fragen - ich dachte, einige davon in meinem Post weiter oben gestellt zu haben. Nicht?

susann hat geschrieben:Die Schnecken bewegten sich im Versuch mit Bier 10 Minuten lang…unkoordiniert.
Meine Antwort darauf ist vorhersehbar, aber trotzdem zutreffend:
Ich bewege mich bei entsprechenden Versuchen sogar länger als 10 Minuten unkoordiniert (habe ich mir sagen lassen), trotzdem ist das nicht unangenehm. Deshalb die Idee, Schnecken das Bier in einer flachen Schale anzubieten - um zu sehen, wie sie darauf reagieren (fliehen oder geniessen?).

susann hat geschrieben:Wie macht man es bei Tieren die schon weit zurückgezogen sind?
Yep. Das geht dann wohl nicht. Bei "HSP"oder "DRS" - ich bringe Abkürzungen leicht durcheinander, gemeint ist "extrem zurückgezogen" - lässt sich das nicht machen.
Solche Schnecken sind dabei, ihren "Account im Leben" zu löschen und denen kann mit Bier nicht geholfen werden.

Die Frage zu "LIS" (Locked-in-Syndrom) ist auch schwer zu beantworten.

Ich denke mir aber "WTF" und würde es probieren.
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Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon HelenZer am 09.11.2021, 18:50

Habe mir das Ganze mal durchgelesen.
Also, von einem Locked-In-Syndrom würde ich bei Schnecken generell nicht ausgehen... ich meine, die haben doch im Allgemeinen nicht allzuviel Bewusstsein. Die haben doch ein sehr einfaches Nervensystem und ich würde behaupten, dass eine Schnecke hauptsächlich auf Reize reagiert und mit wenig 'Eigeninitiative' agiert. Von irgendwelchen höheren 'Gedanken' würde ich da nicht ausgehen.
Ich denke, dass die Schnecken vom Alkohol komplett betäubt werden, so wie Menschen unter Vollnarkose.

Zu der Frage "Ist die Betäubung wirklich umkehrbar und die Schnecken erholen sich von der "Narkose"?" - ja, das hatte ich im Mai aus Forschungszwecken ausprobiert, als ich die 5 ganz schief gewachsenen Schnecken eingeschläfert habe - eine junge Fulica habe ich nach 15 Min Bierbad beiseite gelegt und sie ist in ca einer Stunde (habe da nicht genau auf die Zeit geachtet, Kind ist dazwischen gekommen) wieder beisammen gewesen und hat sich weitgehend normal verhalten, hatte auch soweit ich weiß keine Schäden und ist normal groß geworden. Die habe ich inzwischen mit den ganzen anderen weitervermittelt.

Beim anziehenden Geruch von Bier würde ich behaupten, dass es das Getreide ist. Alle meine Schnecken - sowohl die Fulicas als auch einheimische Bänder- und Weinbergschnecken sind zum Beispiel ganz verrückt nach eingeweichten Getreideflocken (Hafer, Gerste etc).

Da es als Lockstoff eingesetzt wird und Nacktschnecken freiwillig in die Bierfalle kriechen, würde ich mal behaupten, dass sie nicht versuchen, da rauszukommen - aber das habe ich jetzt persönlich noch nicht ausprobiert.
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Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon Rasplutin am 09.11.2021, 21:08

HelenZer hat geschrieben:Ich denke, dass die Schnecken vom Alkohol komplett betäubt werden, so wie Menschen unter Vollnarkose.
Gut möglich, werden wir nur mit wohlüberlegten Versuchen herausfinden können, wenn überhaupt. Vermutungen haben wir ja alle. Jeder seine. Das ist ja auch OK - solange es danach weitergeht.

HelenZer hat geschrieben:[...]eine junge Fulica habe ich nach 15 Min Bierbad beiseite gelegt und sie ist in ca einer Stunde [...] wieder beisammen gewesen und hat sich weitgehend normal verhalten, hatte auch soweit ich weiß keine Schäden und ist normal groß geworden.
Hey, danke!
Das ist eine wirklich hilfreiche Aussage! Ob sie Schäden davontrug (körperlicher oder psychischer Art) wird sich nicht so leicht rausfinden lassen. Persönlichkeitsstörungen oder gar Langzeitschäden... :)
Konntest du eine Fluchtreaktion beobachten? Wenn du sie ins Bad gesetzt hast, wahrscheinlich nicht. Deshalb meine Idee mit der flachen Schale. Oder niedrigerer Konzentration des Alks/Biers.
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Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon susann am 10.11.2021, 08:09

Man kann das alles ausprobieren,ich bezweifle die Wirksamkeit des Alkohols auf die Schnecke nicht.
Ist für mich aber kein Beweis das es besser ist als andere Methoden.Ich gehe eher auch von wenig Schmerzempfinden bei Schnecken aus.Sie reagieren eher auf Reize wie HelenZer auch meint.

Da ich einige Terrarien kühle kann ich mir nicht vorstellen das Schnecken langsam abkühlende Temperaturen spüren,leider ist es nicht immer zu vermeiden das sich eine Jungschnecke in die Nähe eines Pads begibt.Letztes Jahr habe ich eine etwa 2 cm große Schnecke kopfüber Flechten fressend ,an einer Seite von Reif eingeschlossen, vorgefunden.Obwohl ich das Pad sofort entfernt habe wurde sie durch die kalte Scheibe beschädigt,ich habe sie gemarkerd und einige Tage später im schlechten Zustand aus dem Terra geholt.

Sollten Schnecken keinen Schmerz fühlen wüßte ich keinen Grund warum ich als Halter ein Tier erst in Alkohol betäuben sollte.
Aber wir wissen es nicht.

Nächstes Jahr gibt es vermutlich viele Nacktschnecken,da werde ich die Bierfallen im Garten genauer beobachten.Und vielleicht einige Flüchtinge fangen um zu sehen ob sie das Bierbad längerfristig überleben.Bierfallen werden morgens teilweise verlassen.
Die Schnecken werden vom Malz angelockt,denke ich.Ich kann mich an ein Futterezept erinnert dem Malz zugesetzt wird um Futterspezialisten zum fressen zu bewegen.
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Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon HelenZer am 10.11.2021, 09:17

Es ist definitiv so, dass Schnecken langsam abkühlende Temperaturen nicht mitbekommen - aber auch langsam ansteigende nicht. Auf meinem Discord-Server wurde auch ein Fall berichtet, wo Schnecken auf einem Heizpad saßen und dieses überhitzt ist. Sie haben das Heizpad nicht verlassen sondern sind an der Hitze verstorben. Plötzliche Temperaturveränderungen scheinen sie zu bemerken.

Daher stellt sich natürlich die Frage, ob Schnecken aus gemäßigten Klimazonen bei Jahreszeitenwechsel wirklich 'nur' auf Temperatur reagieren oder ob vielleicht ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren notwendig ist, um Prozesse wie Winterschlaf oder Trockenruhe einzuleiten. Ich habe schon in einer Veröffentlichung gelesen dass H. Pomatia auf Veränderungen der Tageslichtdauer reagiert, um sich auf Winterschlaf vorzubereiten.

Da Schnecken auch mit schrecklichsten Verletzungen sich noch 'normal' verhalten, Fressen und Kot absetzen - soweit diese Organe nicht gestört sind - stellt sich natürlich generell die Frage, inwieweit Schnecken 'leiden'. Leiden setzt meiner Meinung nach ein höher entwickeltes Gehirn voraus, da es eher eine Interpretationssache der Schmerzreize ist, und kein körperlicher Prozess an sich.
Verletzte Säugetiere schonen die verletzte Stelle nach Möglichkeit, ziehen sich eventuell zurück, um zu heilen. Schnecken zeigen nur wenig Reaktion auf Wunden oder verletzte Stellen. Am Wichtigsten scheint die Funktionsweise des allgemeine Metabolismus zu sein, ist diese gestört, zieht sich die Schnecke zurück und geht in einen Ruhezustand über.

Gehäuseverletzungen kommen häufig mit Stürzen einher, wobei auch die inneren Organe beschädigt werden können - hier stellt sich die Frage, ob die Schnecke dann nicht eher darauf reagiert. Gehäuseschäden an sich scheinen ihnen kaum etwas auszumachen (wie auch, ist ja ein Gewebe was sich am ehesten mit Haaren oder Fingernägeln beim Menschen vergleichen lässt, ohne sensorische Nerven.)

In der Studie, die hier jetzt diskutiert wird, geht es ja auch darum, dass das Personal, das mit den Schnecken arbeitet, sich gut fühlt. Ich denke, darum geht es allgemein bei der Schneckenhaltung. Den Schnecken ist es weitgehend egal, uns aber eben nicht. Wir leiden, wenn wir eine kaputte Schnecke sehen. Die Schnecke leidet nicht, sie geht einfach im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiter ihrem Programm nach. Ich persönlich habe schon sehr viele Begegnungen mit sterbenden Tieren und Menschen gehabt und würde daher auch nie eine Schnecke abtöten, die von sich aus schon kurz vor dem Sterben ist. Soll sie das eben so machen, wie es von Natur vorgesehen ist.

Mir geht es da eher darum, was man mit den unzähligen Jungschnecken macht, die viele Leute in ihren Terrarien haben, alle aufziehen kann man meist nicht, ohne die Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten völlig zu sprengen. Und dafür ist die Methode, sie in Alkohol einzulegen, ohne dass man ablehnende Reaktionen sieht, für mich die Beste.
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Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon Rasplutin am 10.11.2021, 20:28

Die Bier-Betäubungsmethode scheint sich auch bei eher stillen Mitlesern herumgesprochen zu haben.
Ich stehe seit einigen Tagen per PN in Kontakt mit jemandem, dessen Grunzschnecken von Schneckenmilben befallen sind und bei denen eine Behandlung mit Ameisenspray wirkungslos zu sein scheint. Er hat nun Angst um seine anderen Schnecken und schickte mir vorhin diese resignierte PN:
[...] Wenn du möchtest, kann ich dir die befallenen Schnecken zur weiteren Untersuchung zukommen lassen. Ansonsten werde ich sie mit Bier betäuben und einfrieren. Ich habe leider nicht die Zeit mit anderen Mitteln zu experimentieren.

Natürlich möchte ich diese Schnecken aufnehmen und auch sehen, was das für Monstermilben sind.
Die Jahreszeit ist für den Versand nicht mehr gut. Wir hoffen, dass sich das mit Heatpacks hinbekommen lässt und die Schnecken Anfang nächster Woche auf die Reise vom Allgäu nach Berlin gehen können - und dass sie wohlbehalten ankommen...
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Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon susann am 12.11.2021, 13:56

HelenZer hat geschrieben:
In der Studie, die hier jetzt diskutiert wird, geht es ja auch darum, dass das Personal, das mit den Schnecken arbeitet, sich gut fühlt. Ich denke, darum geht es allgemein bei der Schneckenhaltung. Den Schnecken ist es weitgehend egal, uns aber eben nicht. Wir leiden, wenn wir eine kaputte Schnecke sehen. Die Schnecke leidet nicht, sie geht einfach im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiter ihrem Programm nach. Ich persönlich habe schon sehr viele Begegnungen mit sterbenden Tieren und Menschen gehabt und würde daher auch nie eine Schnecke abtöten, die von sich aus schon kurz vor dem Sterben ist. Soll sie das eben so machen, wie es von Natur vorgesehen ist.

Mir geht es da eher darum, was man mit den unzähligen Jungschnecken macht, die viele Leute in ihren Terrarien haben, alle aufziehen kann man meist nicht, ohne die Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten völlig zu sprengen. Und dafür ist die Methode, sie in Alkohol einzulegen, ohne dass man ablehnende Reaktionen sieht, für mich die Beste.



Es istschon eine personalschonende Methode.

Mir fällt das Töten „leichter“ seitdem die Tiere als Nahrung für Skinke dienen,der Tod ist dann nicht so sinnlos.Da ist die Totungsart oft vorgegeben.Manche Igelaufzuchtstationen freuen sich über Eier und Schnecken,auch Asseln sind beliebt.
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Re: Schnecken euthanasieren

Beitragvon Rasplutin am 24.11.2021, 17:58

Um vielleicht ein paar meiner Fragen der letzten Seite einzukreisen, habe ich gestern abend spontan folgendes Experiment gemacht:

Bei meinen Cornus gibt es mehrere Wasserschalen, u.a. eine Fleischsalatdose mit ca. 5 cm hohem Rand.
Die Fleischsalatdose habe ich geleert, ca. 3 mm hoch mit frischem Bier befüllt (netto, Dose "Schloss Export", 5,2% Alc. vol) und wieder reingestellt.
Es war keine aktive Cornu zu sehen und so bin ich kurz rausgegangen.
Als ich nach ca. 5 min wieder reinkam, sah ich, wie eine Cornu gerade mit einem Klimmzug den Schalenrand erklomm und kopfüber in Richtung Bier kroch. Woher kam sie so schnell?
Die 3 mm Füllhöhe hätten wohl auch bei plötzlich eintretender Bewusstlosigkeit der Schnecke ein Ertrinken verhindert, trotzdem stand ich bereit, um im Notfall sofort eingreifen zu können. Die Schnecke kroch zwar in Richtung Bier, aber drehte dann ab und ist am Schalenrand entlang gekrochen, ohne dass ihr Weichkörper das Bier berührte.
(Interessante Beobachtung am Rande(!): meine Cornus scheinen mit Vorliebe ENTGEGEN dem Uhrzeigersinn an Wasserschalenrändern entlangzukriechen... etwa, um -instinktiv oder bewusst- das Atemloch frei zu halten?)
Diese Cornu kroch eine komplette Runde am Schalenrand, ohne das Bier zu berühren (war aber kurz davor), ist dann über den Rand nach oben und hat die Schale verlassen.

Sie ist im Terrarium umhergekrochen, kam aber nach ca 10 Minuten zurück!
Sie ist wieder in die Wasserschale gekrochen und wieder in Richtung Bier. Sie stoppte erneut kurz vor dem Berühren des Bieres, ist wieder nach oben und hat die Schale verlassen. Diesmal anscheinend endgültig - falls sie Lust auf Wasser verspürte, hätte sie das eine Schale weiter gefunden.

Leider hatte ich in der Zwischenzeit den Rest des Inhalts der Bierdose auf mich wirken lassen, so dass ich meine Beobachtungen an dieser Stelle abgebrochen habe.

Am nächsten Tag war keine Schnecke IM Fleischsalatnapf zu finden, ich hatte aber keine Kamera installiert und weiss nicht, ob mir etwas entgangen ist.
Ich habe das Bier dann wieder durch Wasser ersetzt.
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